ECHT – EMPOWERED – ERFOLGREICH

Interview mit Gerhard Burtscher

Seit 2016 leitet Gerhard Burtscher als Vorstandsvorsitzender die Bank für Tirol und Vorarlberg AG. Im Interview mit dem Bankenverband erzählt er, was für ihn Erfolg ausmacht und wieso eine diverse Belegschaft im Interesse des Unternehmens ist.

Nicht immer ist eine Karriere im Banking das, was man sich beim Berufseinstieg vorstellt, auch für Gerhard Burtscher nicht. Rückblickend ist er jedoch froh über den Schritt ins Banking: „Vor allem die Liebe zum Kundengeschäft habe ich sehr schnell gefunden. Man lernt unterschiedliche Persönlichkeiten kennen und wird für diese ein vertrauensvoller Ansprechpartner, das hat mich von Anfang an begeistert“, so Burtscher. Doch nicht nur das, die Mischung aus Regionalität, spannenden Aufgabenfeldern und einer Unternehmensgröße, die es erlaubt, als relevanter und wichtiger Partner aufzutreten und gleichzeitig nah genug an den Kunden zu sein, begeistert Burtscher nach wie vor.

Seit seinem Beginn als Kundenbetreuer in der BTV hat Burtscher verschiedene Positionen und Funktionen durchlaufen. Was ist also sein Erfolgsrezept? Auf diese Frage gibt es laut Burtscher nicht eine Antwort, aber viele Faktoren, die über den eigenen Erfolg bestimmen können: „Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, und man sollte sich ein Arbeitsumfeld suchen, das mit den eigenen Werten und Überzeugungen übereinstimmt, das ist ganz wichtig. Ebenso wichtig sind Freude am Job und Bereitschaft zum Engagement. Das kann viele Türen öffnen“. Einmal angekommen in einer Führungsposition, ergeben sich viele neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Wer dabei Qualitäten wie Empathie und Teamfähigkeit zeigt, kann es weit bringen, glaubt Burtscher. Erfolg, betont er, sei nicht etwa der schnelle Aufstieg, sondern etwas Nachhaltiges und Langfristiges: „Es gibt Raketen, die steigen unglaublich schnell auf, es wird kurz hell und dann schnell wieder dunkel. Das hat für mich nichts mit Erfolg zu tun.“

Diversität als Eigeninteresse

Obwohl für eine erfolgreiche Karriere persönliche Qualitäten eine wichtige Rolle spielen, werden die Führungspositionen in den österreichischen Banken überwiegend von Männern besetzt, das muss sich aus Burtschers Sicht ändern. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass gemischte Teams erfolgreicher sind“, so der BTV-Vorstandsvorsitzende. Seit die BTV Diversität zu einem Schlüsselelement ihrer Unternehmensstrategie gemacht hat und dieses Ziel u.a. durch Ausbildungsprogramme, flexible Arbeitszeitmodelle und eine eigene Kinderbetreuungseinrichtung unterstützt, konnte der Frauenanteil in Führungspositionen von 12 Prozent 2016 auf 23 Prozent 2022 erhöht werden. Bis 2025 soll der Anteil auf 30 Prozent steigen. Wie Burtscher findet, ist das dringend notwendig, schließlich wird die Suche nach talentierten und insbesondere weiblichen Führungskräften für Unternehmer immer anspruchsvoller. „Unsere Diversifizierung am Markt geschieht aufgrund unserer Mitarbeiter*innen. Eine Bank ist nur so gut wie ihr Ansprechpartner*innen für den Kunden. Wir brauchen fachliche Kompetenz, aber auch soziale und emotionale Kompetenz. Eine diverse Belegschaft ist also in unserem eigenen Interesse. Wir müssen dafür die richtigen Talente finden und mit guter Ausbildung und Programmen deren Weiterentwicklung fördern“, erklärt Burtscher.

Positiver Trend

Insgesamt sieht Burtscher die österreichischen Banken auf dem richtigen Weg. Dabei zieht er eine Parallele zum Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit: „Auch hierbei hat sich die Wirtschaft lange gewehrt, doch jetzt erkennt man das Thema plötzlich als Chance und es kommt alles in Bewegung.“ Das ist wichtig, denn während zumindest rund 27 Prozent aller Führungspositionen von Frauen besetzt werden, sind es in den Vorständen lediglich 10 Prozent (1). „Entscheidend wird es sein, mehr weibliche Führungskräfte zu beschäftigen, denn je mehr Frauen Führungspositionen einnehmen, desto mehr Frauen werden wir auch auf Vorstandsebene sehen“, lautet Burtschers Fazit.

 

(1) Siehe Studie des Bankenverbands „Frauen und Führung – Status Quo der Gender Diversity in Banken“ 2021.


Konzentration auf das Wesentliche

Gerhard Burtscher, Vorstandsvorsitzender der Bank für Tirol und Vorarlberg AG, im Interview mit dem Bankenverband über Geist und Haltung, ihre Wichtigkeit für den persönlichen und den unternehmerischen Erfolg und welche Rolle dabei Diversität spielt.

© Studio Fasching

Gerhard Burtscher im Interview mit Valeska Grond-Szucsich

 

GROND-SZUCSICH: Wollten Sie schon immer in einer Bank arbeiten?

BURTSCHER: Nein, das war nicht geplant. Ich habe vier Ferialpraktika bei Head im Export gemacht. Da es nach meiner Matura dort aber keine offene Stelle in dem Bereich gab, musste ich mich nach Alternativen umschauen, und dazu gehörte die Möglichkeit, bei der BTV zu beginnen. Um Erfahrungen zu sammeln, habe ich dann auch diese Chance ergriffen. Ich habe vor allem sehr schnell die Liebe zum Kundengeschäft gefunden. Man lernt unterschiedliche Persönlichkeiten kennen und wird für diese ein vertrauensvoller Ansprechpartner, Das hat mich von Anfang an begeistert. Einen anderen Job kann und möchte ich mir auch gar nicht mehr vorstellen.

GROND-SZUCSICH:Was ist das Besondere bei der BTV?

BURTSCHER: Regionalität. Mit Tirol, Vorarlberg, Bayern und Baden-Württemberg, Südtirol, der deutschsprachigen Schweiz sowie Wien haben wir ein sensationelles Einzugsgebiet. Mit dem mittelständischen Firmenkundengeschäft und dem gehobenen Privatkundengeschäft haben wir eine interessante Gruppe an Kunden. Mit unserer Struktur und Eigenständigkeit können wir das Bankgeschäft so leben, wie wir es für richtig halten. Wir sind groß genug, um ein guter Partner zu sein, und trotzdem klein genug, um immer direkten Kontakt zu haben. Das sind unsere Besonderheiten, die mir große Freude machen.

GROND-SZUCSICH:Zu unserem Thema „Chancengleichheit für Frauen“: Welche Möglichkeiten bietet die BTV Frauen? Wie schaut es mit den Mitarbeiterzahlen innerhalb des Unternehmens aus, z.B. bei der Verteilung von Führungsaufgaben?

BURTSCHER: In Summe haben wir mehr Frauen als Männer, bei den Führungspositionen sind wir jedoch noch nicht dort, wo wir sein wollen. Mit 1. Januar 2016 hatten wir einen Frauenanteil von 12 Prozent, heute sind wir bei 23 Prozent. Ich gehe davon aus und bin zuversichtlich, dass wir 2025 bei 30 Prozent sind. Wir positionieren uns als Unternehmen mit Geist und Haltung. Geist bedeutet für mich, das Richtige zu erkennen, Haltung in weiterer Folge, das Richtige zu tun. Es ist deshalb logisch, sich dem Thema Chancengleichheit und Diversität zu widmen. Die Harvard Business School hat eine Studie veröffentlicht, laut der Frauen bei 17 von 19 Leadership-Kompetenzen besser abschneiden. Es gibt eindeutige wissenschaftliche Ergebnisse dazu, dass Eigeninitiative, Belastbarkeit und Integrität bei Frauen besser ausgeprägt sind. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis liegt also sehr wohl auch in unserem Interesse.

GROND-SZUCSICH:Wie machen Sie das konkret?

BURTSCHER: Bei uns laufen intern viele verschiedene Programme, eins davon widmet sich nur dem Thema Diversität. Wir haben direkt bei uns im Stadtforum in Innsbruck eine Kinderbetreuungseinrichtung eröffnet, die 51 Wochen 5 Tage die Woche von 7-17.00 Uhr geöffnet ist. Zudem ermöglichen wir mobiles Arbeiten und bieten eine eigene Ausbildungsreihe zum Thema Diversität und Inklusion. Jährlich veranstalten wir den sogenannten Vielfaltstag und haben auch die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Und ganz neu findet das Female Future Festival Pop-up in diesem Jahr bei uns statt. Sie sehen, bei uns gibt es eine breite Mischung an Themen und Maßnahmen.

GROND-SZUCSICH:Wann haben Sie damit angefangen?

BURTSCHER: Initiativen und Projekt gibt es bei uns im Haus schon länger. Richtig in Fahrt gekommen ist die Strategie dann 2018 mit der Einführung unserer „Strategie 2030“ unter dem Leitgedanken „Zukunftsfähig. Werte. Schaffen“. Dies beinhaltet die für uns wichtigste Voraussetzung, denn wir denken langfristig. Beim Thema „Zukunftsfähig“ spielen die Themen Diversity und Werte eine große Rolle, wobei der Begriff „Werte“ zwei Dimensionen hat: auf der einen Seite geht es darum, Werte zu schaffen und zu vermehren. Auf der anderen Seite muss man ein wertvoller Partner sein und einen wertschätzenden Umgang pflegen.

GROND-SZUCSICH:Wie wird das von den Frauen, Führungskräften und KundInnen angenommen?

BURTSCHER: Sehr gut. Was ich aber auch spüre, ist, dass Frauen dazu tendieren, sich etwas weniger zuzutrauen. Frauen hinterfragen gebotene Karrieremöglichkeiten wesentlich öfter und überlegen sich das viel genauer. Deswegen ist es wichtig, diese Programme anzubieten. Ich finde, so kann man Frauen besser vorbereiten und Themen wie Unternehmenskultur und Loyalität bekommen dadurch einen noch höheren Stellenwert.

GROND-SZUCSICH:Man hört immer wieder, dass es einen „War for Talents“ gibt. Sehen Sie das bereits in der BTV? Wird es schwieriger, talentierte weibliche Führungskräfte bzw. Spezialistinnen zu bekommen?

BURTSCHER: Das ist schon schwieriger geworden. Die richtigen Mitarbeiter*innen zu bekommen, sowohl von Anzahl als auch Qualität, ist eine unserer größten Herausforderungen. Unsere Diversifizierung am Markt geschieht aufgrund unserer Mitarbeiter*innen. Eine Bank ist nur so gut wie ihr/e Ansprechpartner*innen für die Kund*innen. Die Dienstleistung setzt sich zusammen aus „dienen“ und „leisten“. Wir brauchen fachliche Kompetenz, aber auch soziale und emotionale Kompetenz. Wir müssen dafür die richtigen Talente finden und mit guter Ausbildung und Programmen deren Weiterentwicklung fördern.

GROND-SZUCSICH: Welche Tipps hätten Sie? Würden Sie Männern und Frauen unterschiedliche Tipps geben?

BURTSCHER: Nein, das würde ich nicht. Zusammengefasst: Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, und man sollte sich ein Arbeitsumfeld suchen, das mit den eigenen Werten und Überzeugungen übereinstimmt, das ist essenziell. Ebenso wichtig sind Freude am Job und Bereitschaft zum Engagement, das kann viele Türen öffnen.

GROND-SZUCSICH: Damit kommen wir jetzt zu Vorbildern – hatten Sie welche oder haben Sie noch immer welche?

BURTSCHER: Ich habe nicht nur ein Vorbild, sondern für mich sind unterschiedliche Unternehmer*innen, mit denen ich zu tun habe, meine Vorbilder. Hier nehme ich mir immer wieder Sachen raus, die sie gut machen. Denn den Wohlstand, den wir haben, verdanken wir der großen Anzahl an guten Unternehmer*innen. Es gibt aber auch negative Vorbilder – bei denen man sich denkt, so wie die möchte ich nicht sein. Da gibt es beides.

GROND-SZUCSICH:Das bringt mich zum Erfolg. Sie sagen, man lernt von Leuten, die erfolgreich sind. Wie definieren Sie Erfolg für sich?

BURTSCHER: Erfolg ist in Verbindung mit Nachhaltigkeit und Langfristigkeit zu bringen. Es gibt Raketen, die steigen unglaublich schnell auf, es wird kurz hell und dann schnell wieder dunkel. Das hat für mich nichts mit Erfolg zu tun, denn dieser muss nachhaltig sein. Wichtige Faktoren sind für mich: Konzentration auf das Wesentliche, gut zuhören, um dadurch zu lernen, respektvoll mit allen Menschen umgehen, Talente erkennen und fördern, nichts zu verlangen, was man nicht selbst bereit ist zu geben, und Erfolge kurz und leise feiern.

GROND-SZUCSICH:Was macht eine gute Führungspersönlichkeit für Sie aus und was ist Ihr Erfolgsmodell?

BURTSCHER: Es beginnt damit, Menschen zu mögen. Das ist die Grundvoraussetzung. Empathie, zu wissen, wo steht mein Gegenüber und was beschäftigt ihn und mich, spielt eine sehr wichtige Rolle. Die Frage, wie man gemeinsam Ziele erreichen kann, ist nicht weniger wichtig: „Wir gemeinsam bewegen etwas“ – das wollen viele Mitarbeiter*innen vorgelebt bekommen.

GROND-SZUCSICH:Erfolg ist etwas Anderes als Karriere. Wie definieren Sie Karriere?

BURTSCHER: Ich hatte nie das Ziel, Vorstand zu werden. Das war am Anfang völlig unrealistisch. Ich hatte aber nach der Schule den Ehrgeiz, in meinem Job zu den Besten zu gehören. Wenn man sich solche Ziele setzt, bekommt die Karriere eine Eigendynamik. Damit ist Karriere eigentlich die Folge davon, dass man einen Job gerne und gut macht und sich schlussendlich zum Vorbild für andere entwickelt. Für mich gehören Karriere und Vorbildwirkung zusammen.

GROND-SZUCSICH: Glauben Sie, dass sich die Unternehmenskultur ändert, wenn mehr Frauen in Führungspositionen kommen?

BURTSCHER: Ja, das denke ich schon. Es spielen andere Faktoren eine größere Rolle, „Vom Ich zum Wir“ wird wichtiger. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass gemischte Teams erfolgreicher sind.

GROND-SZUCSICH:Wohin geht die Entwicklung beim Thema Chancengleichheit und Frauen?

BURTSCHER: Ich vergleiche das mit den Entwicklungen zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit. Hier hat sich die Wirtschaft lange gewehrt, und jetzt erkennt man das Thema plötzlich als Chance, und es kommt alles in Bewegung. Ähnlich sehe ich das bei der Chancengleichheit. Dieses Thema ist bei fast jedem Unternehmen angekommen, und deshalb glaube ich, dass wir eine schnelle Entwicklung sehen werden. In wenigen Jahren werden wir dann hoffentlich von vollkommener Chancengleichheit reden. Diversität ist aber mehr als Mann und Frau. Junge und alte Mitarbeiter*innen, unterschiedliche Nationen gehören genauso dazu. Diversität ist ein breites Spektrum. Damit ein Projekt wirklich erfolgreich ist, müssen für mich die unterschiedlichsten Personen zusammenarbeiten.

GROND-SZUCSICH: Wir haben bei unseren Instituten eine Erhebung gemacht und festgestellt, dass es in den Vorständen einen Frauenanteil von 10 Prozent und bei den Führungskräften einen Anteil von 27 Prozent gibt. Woran liegt es Ihrer Ansicht nach, dass dieser Anteil so gering ist?

BURTSCHER: Meiner Meinung nach liegt es daran, dass erst einmal die richtige Basis geschaffen werden muss – ich meine damit die Anzahl der Frauen in allen Führungsebenen, nicht in der Gesamtzahl der Mitarbeiter*innen. Je größer der Frauenanteil auf allen Führungsebenen, desto größer kann dieser an der Spitze sein. Wenn bereits in der Basis der Frauenanteil nicht hoch ist, kann es oben sehr dünn werden. Ich habe vor drei Jahren eine Vorstandsposition extern ausgeschrieben. Auf meiner Liste hatte ich dann elf Kandidaten, nur zwei davon waren Frauen. Die zwei sind leider nach der ersten Runde ausgeschieden, da für sie ein Umzug nach Innsbruck nicht in Frage kam. Ich bin mir sicher, wenn Frauen auf Führungsebenen mehr Plätze einnehmen, werden wir in Zukunft auch mehr Frauen in Vorstandspositionen sehen.