ECHT – EMPOWERED – ERFOLGREICH
Interview mit Mag. Romana Thiem
Das kalte Wasser ist vielleicht gar nicht so kalt.
Eine Vorstandsposition schien “utopisch” für Romana Thiem, als sie vor zwanzig Jahren nach ihrem Jusstudium bei der Oberbank im Kommerzkundenbereich startete. Sie brauchte erst den „Schubs“ ihrer Mentorin. Dann startete ihre Karriere durch. 2024 wurde sie in den Vorstand der Oberbank berufen.
„Mir war nie die Rolle wichtig, sondern mir war es wichtig, eine Arbeit zu haben, die mit Spaß macht, mit der ich etwas bewegen kann und die ich gerne mache“, erzählt Thiem, die erst nach zwölf Jahren in der Bank ihre erste Führungsrolle übernahm. Dazu hatte sie ihre Mentorin aufgefordert. Sie, und nicht Romana Thiem selbst meinte: „Es ist jetzt einmal Zeit für den nächsten Schritt“. Die Reaktion auf die Aufforderung war defensiv. „Ich habe mir überlegt, was ich nicht kann, anstatt zu sagen, was ich kann“, erinnert sie sich und meint, dass sie hier „ganz typisch Frau“ reagierte: „Ich kann von 100 Dingen nur 99, darum geht das nicht.“ Das gibt sie heute den jungen Kolleginnen in der Oberbank weiter: „sich Ziele setzen“, „sich etwas trauen“ und nicht nur die „fleißigen Bienchen“ sein. Ihre Mentorin hat sie ins kalte Wasser geschubst und Thiem hat erkannt, „das kalte Wasser ist gar nicht so kalt“. Als Thiem das nächste Mal gefragt wurde, einen neuen Aufgabenbereich zu übernehmen, hat sie in der Sekunde mit „ja“ geantwortet. Der Knackpunkt war geschafft.
Mitarbeiter als Differenzierungsmerkmal
Thiem möchte unterschiedliche Führungsstile nicht in „männlich“ und „weiblich“ unterscheiden. „Ich glaube, man kann nicht alle über einen Kamm scheren“, ist sie überzeugt und wirft ein: „Es gibt diesen Spruch: „Zuhören, um zu verstehen und nicht zuhören, um zu antworten.“ Ich glaube, dass wir Frauen, da vielleicht ein bisschen besser sind, aber das ist jetzt nur eine persönliche Einschätzung. Die Top-Managerin begrüßt, dass in den letzten Jahren das Thema Führung „viel wichtiger“ geworden ist. „Es hat einen viel höheren Stellenwert bekommen– auch bei uns in der Bank“, sagt sie und betont: „Wir arbeiten an dem Thema Führung. Die Mitarbeiter sind für uns das einzige Differenzierungsmerkmal am Markt. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, ich kann nur über die Menschen unterscheiden. Konto, Kredite kriegen die Leute überall. Unser USP sind die Mitarbeiter und die stehen bei uns in der Mitte unserer Strategie.“
Flexible Angebote: Rückkehr in Vollzeit
Die Oberbank arbeitet auch intensiv daran, Frauen aus der Teilzeit zurück in die Vollzeit zu holen, sobald es die Care-Arbeit der Mütter zulässt. „Wir haben alle Teilzeitkräfte – natürlich waren das vorwiegend Frauen – eingeladen und ihnen vorgerechnet, was das für die Pension bedeutet, wenn Teilzeit statt Vollzeit gearbeitet wird“, erzählt sie. Danach hat die Bank ein flexibles Angebot gemacht: 6 Monate Vollzeit auszuprobieren, mit der Option danach zum ursprünglichen Stundenmaß zurückzukehren. „Wir konnten 35 Vollzeitäquivalente aufstocken“, sagt sie stolz und ist davon überzeugt, dass es wichtig ist, Frauen Perspektiven und einen sinnerfüllenden Job zu geben.
Messbare Ziele: Miss es oder vergiss es
Die Bank setzt sich ehrgeizige Ziele. Nach dem Motto: „Miss es oder vergiss es“ werden konkret Ziele definiert: Ende 2025 möchte man 30 Prozent Frauen in Führungspositionen haben, 2030 folgt der nächste Schritt. „Wir verfolgen das Thema und es ist wissenschaftlich belegt, dass diverse Teams produktiver sind“, sagt Thiem und betont: „Es geht uns darum, eine Chancengleichheit, eine Gender-Balance, herzustellen.“
"Ich kann von 100 Dingen nur 99"
Romana Thiem ist seit 2024 im Vorstand Oberbank und erzählt im Interview mit Doris Zingl über ihre Karriere, die Bedeutung ihrer Mentorin und die Programme und Initiativen der Oberbank, um den Frauenanteil in der Unternehmensführung zu erhöhen.
Romana Thiem im Interview mit Doris Zingl | Foto: Sabine Kneidinger | © Oberbank
ZINGL: Sie haben vor 20 Jahren bei der Oberbank begonnen. Was war damals Ihr berufliches Ziel? Vorstand werden?
THIEM: Das war tatsächlich nie mein Ziel, Vorständin zu werden. Das war utopisch. Mir war nie die Rolle wichtig, mir war es einfach immer wichtig, eine Arbeit zu haben, die mir Spaß macht, mit der ich etwas bewegen kann, die ich gerne mache. Mir ging es mehr um den Inhalt als um irgendeine Rolle oder eine Position. Ich bin erst nach zwölf Jahren in meine erste Führungsposition gekommen. Ich hatte eine Dame interessanterweise, die mich auch von Anfang an sehr gefördert aber auch gefordert hat. Sie war diejenige, die gesagt hat: „So Romana, jetzt ist einmal Zeit für den nächsten Schritt, jetzt machst du zwölf Jahre lang Firmenkundenberatung“. Meine Reaktion war: „Nein, das kann ich ja nicht, ein völlig anderes Aufgabengebiet.“ ich habe mir – typisch Frau – überlegt, was kann ich nicht, anstatt zu sagen, was ich kann. Im Nachhinein muss ich schon sagen, das ist genau das, was ich versuche, den Damen heute im Unternehmen einfach mitzugeben, sich schon etwas zu trauen, sich Ziele zu setzen. Wir sind immer die fleißigen Bienchen, die vor sich hinarbeiten.
ZINGL: Sie hatten eine Mentorin, die Sie begleitet hat. Diese Erfahrung geben Sie jetzt an Frauen, die das Potenzial für Führungspositionen haben, weiter?
THIEM: Ich glaube, selbst sieht man sich vielleicht gar nicht so oder erkennt vielleicht das eigene Potenzial gar nicht. Bei mir war‘s zum Glück eine Frau, der es auch wichtig war, die Frauen zu fördern. Ich muss dazu sagen, ich habe in der Firmenkundenberatung begonnen, das ist ja auch eigentlich völlig untypisch, dass Frauen in der Firmenkundenberatung arbeiten, also wir arbeiten heute noch daran, dass wir die Damen in diese Rolle auch bringen, da haben wir hauptsächlich Männer. Das war ein Unikum, dass ich als Frau dort war. Und es war etwas besonders, dass die Chefin dort auch eine Frau war. Sie hat mich entsprechend mitgenommen.
ZINGL: Und haben Sie sich als nächstes gefragt: „Ist das wirklich etwas für mich“?
THIEM: Ich erfülle zu 100 % das Klischee. Ich habe gesagt, ich kann von 100 Dingen nur 99 und deswegen geht das nicht. Ich habe dann diesen Schubs, oder vielleicht wars dann ein bisschen ein festerer Schubs von ihr bekommen. Und genau das geben ich heute jungen Kolleginnen weiter: Wenn dich jemand kennt und dir etwas zutraut, dann steh dir nicht im Weg.
ZINGL: Der Sprung ins kalte Wasser tut gut.
THIEM: Ja, der tut manchmal gut. Man merkt dann, dass es vielleicht doch gar nicht so kalt ist. Ich habe mich in den ersten zwölf Jahren in der Bank nicht verändert und in den letzten acht Jahren hatte ich vier unterschiedliche Rollen. Das war der Knackpunkt, das Schlüsselerlebnis und ab da hatte ich überhaupt keine Angst mehr vor neuen Aufgaben. Ich wurde zwei Jahre später gefragt, ob ich in die Geschäftsleitung wechseln möchte, also dann noch einmal eine größere Aufgabe, auch ein neues Aufgabengebiet und ich habe sofort in diesem Gespräch in den ersten Sekunden „ja“ gesagt.
ZINGL: Sie hat eine Mentorin begleitet und gefördert. Was würden Sie sagen, welchen Führungsstil wichtigen bringen Frauen aus Ihrer Sicht mit, den vielleicht Männer nicht mitbringen, oder gibt es da keine Unterschiede?
THIEM: Es gibt bei Frauen und bei Männern sehr unterschiedliche Führungsstile. Ich glaube, man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt diesen Spruch: „Zuhören, um zu verstehen und nicht zuhören, um zu antworten.“ Ich glaube, dass wir Frauen, da vielleicht ein bisschen besser sind, aber das ist jetzt nur eine persönliche Einschätzung. Insgesamt kann man jetzt nicht sagen, generell führen Frauen so und führen Männer so. Ich denke, dass das Thema Führung in den letzten Jahren viel wichtiger geworden ist und einen viel höheren Stellenwert bekommen hat – auch bei uns in der Bank. Das sind nicht mehr die Fachspezialisten, Führungskräfte, sondern wir arbeiten an dem Thema Führung. Die Mitarbeiter sind für uns das einzige Differenzierungsmerkmal am Markt. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, ich kann nur über die Menschen unterscheiden. Konto, Kredite kriegen die Leute überall. Unser USP sind die Mitarbeiter und die stehen bei uns in der Mitte unserer Strategie. Wir sagen immer, HR ist die Sonne und alle anderen Handlungsfelder sind die Monde. Früher haben wir zu Jahresbeginn Verkaufskonferenzen gehabt. Jetzt machen wir Führungskonferenzen. Wir haben das Thema Führung im Sinne Mitarbeiterzufriedenheit stark in den Fokus gestellt.
ZINGL: Wenn wir bei dem Thema Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, es wird ja immer schwieriger, talentierte, gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen für eine Bankkarriere. Sehen Sie das auch so, dass es immer schwieriger wird und vor allem auch Frauen für eine Bankkarriere zu begeistern und wenn ja, was glauben Sie, warum ist das so?
THIEM: Wenn wir jetzt rein die Mitarbeiteranzahl hernehmen, haben wir über 60 Prozent Frauen. Aber Frauen fehlen uns eben in den Führungspositionen. Wir haben aktuell ca. 29 Prozent weibliche Führungskräfte, das heißt über 70 Prozent Männer und sie fehlen uns auch in gewissen Bereichen. Sie fehlen in Corporate Banking, sie fehlen und im Private Banking.
ZINGL: Und warum ist das so? Warum wollen Frauen nicht in den Kommerzbereich? Was glauben Sie, was ist der Grund?
THIEM: Wenn wir die Antwort wüssten, dann würden wir uns leichter tun, die Frauen dorthin zu bewegen. Oft ist es ein falsches Bild von der Rolle.
ZINGL: Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie möchte ich ansprechen: Wir sehen, dass Frauen vor allem, wenn sie Kinder haben, gerne in Teilzeit arbeiten. Sie kehren dann gar nicht mehr zurück – auch wenn vielleicht die Care-Arbeit in der Familie in der Form gar nicht mehr gegeben ist. Das ist eine Herausforderung für die Bank, die Frauen dann doch wieder zu motivieren. Was machen Sie dazu in der Bank?
THIEM: Wir haben alle Teilzeitkräfte – natürlich waren dann vorwiegend Frauen – eingeladen und haben Ihnen einmal vorgerechnet, was macht das für eure Pension aus, wenn ihr Teilzeit statt Vollzeit gearbeitet wird – mit plakativen Beispielen. Dann haben wir den Damen die Möglichkeit gegeben, es einmal für 6 Monate auszuprobieren. Völlige Flexibilität mit der Option auf das ursprüngliche Stundenmaß zurückzukehren. Wir haben es mit der Initiative geschafft, 35 Vollzeitäquivalente aufzustocken. Wichtig ist aber auch, dass man Frauen Perspektiven gibt, damit sie einen sinnerfüllten Job haben, auch im Sinne von Weiterentwicklung. Teilzeitkräfte müssen auch weiterentwickelt werden.
ZINGL: Was macht die Oberbank konkret, um weibliche Karrieren voranzubringen?
THIEM: Wir sind in der Bank und die Bank ist sehr zahlengetrieben. Wir haben den Spruch: „Miss es oder vergiss es“. Das gilt auch für dieses Thema. Wir haben uns selbst eine Frauenführungsquote auferlegt. Wir wollen Ende 2025 – 30 Prozent Frauen in Führung haben, dann bis 2030 und so weiter mit höheren Prozentsätzen. Wir verfolgen das Thema und es ist wissenschaftlich belegt, dass diverse Teams produktiver sind. Es geht uns darum, eine Chancengleichheit, eine Gender-Balance, herzustellen. Führungspositionen werden weitgehend ausgeschrieben und nicht einfach besetzt. Da gibt es Hearings, mindestens drei Personen in der Jury, mindestens eine Dame. Bei gleicher Qualifikation von Mann und Frau, dann wird die Person genommen, die die Gender-Balance in dieser Einheit herstellt.
ZINGL: Wir haben jetzt viel über Karriere gesprochen, aber ein Unterschied zur Karriere ist das Thema Erfolg. Wie definieren Sie Erfolg für sich?
THIEM: Für mich persönlich hat Erfolg etwas zu tun, was ich gerne mache. Es hat auch für mich mit Zufriedenheit, mit etwas bewegen zu tun, mit Mehrwert zu schaffen, zu tun.